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Weiteres Gründungsteam am Forschungscampus STIMULATE mit Pre-Seed-Förderung

Bereits seit dem Jahr 2013 werden am Forschungscampus STIMULATE medizintechnische Lösungen zur Behandlung von Krankheiten mit gesellschaftlich höchster Relevanz erforscht. Interdisziplinäre Teams aus ÄrztInnen, PhysikerInnen, IngenieurInnen und InformatikerInnen verschiedener Fakultäten der OVGU – gemeinsam mit regionalen und überregionalen Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft – widmen sich den Herausforderungen der zukünftigen Therapie von Schlaganfall, Herzinfarkt und Krebs. Im Zentrum steht die so genannte minimal-invasive Therapie, die erhebliche Vorteile für viele PatientInnen beherbergt. Wesentlicher positiver Aspekt ist der geringe Grad an Verletzung (Invasivität) im Vergleich zu einer häufig angewandten offenen Operation. Hierdurch werden nicht nur die Krankenhausaufenthaltszeiten wesentlich verkürzt, sondern auch Kosten reduziert.

Zur Bereitstellung innovativer Behandlungsmethoden für diese medizinischen Kern-Fragestellungen liegt der Schwerpunkt von STIMULATE auf der Erforschung der Bildgebungstechnologien, ohne deren Hilfe keine minimal-invasive Therapie durchführbar ist. Hierzu gehören insbesondere neue Lösungen der Magnetresonanztomographie (MRT) sowie der Computertomographie (CT). Ziel ist es, mittels Bildgebung Therapieinstrumente, wie z.B. Katheter oder Nadeln, eindeutig darzustellen und Zusatzinformationen, z.B. über die Beschaffenheit des Tumors oder des Therapiestatus, bereitzustellen. Eine immer wichtigere Rolle in der Behandlung von Schlaganfall, Herzinfarkt und Krebs spielt die Therapiereaktion des Immunsystems auf lokaler sowie systemischer Ebene der PatientInnen. Die Therapie der Zukunft wird diese biologischen Faktoren mit in die technischen Lösungen einbeziehen, um so eine patientenspezifische Behandlungsmethode bereitstellen zu können. Dieser Forschungsfragestellung widmen sich die ForscherInnen im Forschungscampus zentral in der 2020 begonnenen zweiten 5-jährigen Förderphase durch das BMBF.

Um diesen Forschungskern herum haben sich in den vergangenen Jahren bereits verschiedene Startups gegründet und angesiedelt. So entwickelt bspw. die Firma Neoscan Solutions MRT-Geräte speziell für Kinder und die InLine-Med GmbH Geräte zur Krebsbehandlung. Mit der neuen „STIMULATE-Zentrale“ im Speicher B des Wissenschaftshafens wird den Startups eine exzellente Infrastruktur für ihre Aktivitäten geboten.

Anfang 2020 hat sich ein weiteres Team formiert, das es sich zum Ziel gesetzt hat, innerhalb der kommenden Jahre am Standort Magdeburg ein Assistenzsystem zur Krebstherapie zu entwickeln und weltweit zu vertreiben. Dieses Gründungsprojekt läuft seitdem unter dem Namen RAYDIAX.

Das RAYDIAX-Team – bestehend aus 2 Physikern, 3 Ingenieuren und einer Betriebswirtin – ist zum Großteil bereits seit der „Gründung“ des Forschungscampus STIMULATE in die Forschungsarbeiten eingebunden. Die Grundlage des anvisierten Therapiesystems bildet das vom Lehrstuhl für Medizintechnik (Prof. Rose) eingeworbene und BMBF-geförderte Projekt KIDs-CT. Innerhalb dieses Projekts wurde von Oktober 2017 bis März 2021 ein Computertomograph erforscht, der gegenüber herkömmlichen Systemen mit weniger Röntgenstrahlung arbeitet. Aufgrund der schädlichen ionisierenden Wirkung von Röntgenstrahlung ist die Reduktion der Dosis ein allgegenwärtiges Ziel in der Entwicklung solcher Systeme – insbesondere bei Kindern, deren Zellen noch nicht ausdifferenziert sind. Aufgrund der längeren Expositionsdauer bei bildgeführten Eingriffen ist eine Minimierung besonders wichtig.

Das KIDs-CT-Projekt vereinte die Erforschung neuer Softwaremethoden der so genannten Bildrekonstruktion mit der Entwicklung eines eigenen „STIMULATE“-Computertomographen. Zwar wurden die Arbeiten durch das Eintreten der COVID-Pandemie verzögert, dennoch gelang es dem interdisziplinären Team aus Forschenden des Lehrstuhls für Medizintechnik (Prof. Rose), des Lehrstuhls für Hardwarenahe-technische Informatik (Prof. Pionteck), des Instituts für Mechanik (Prof. Woschke) sowie der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin (Prof. Pech) den Computertomographen zu entwickeln und in Betrieb zu nehmen. Er bietet seitdem die Grundlage zum Test der neu erforschten Software zur Dosisreduktion.

Das BMBF-geförderte KIDs-CT Projekt hat den STIMULATE–MitarbeiterInnen die einmalige Möglichkeit gegeben, ihre Kompetenzen im Bereich der CT-Hardware zu vertiefen und auszubauen.  Basierend auf dem System promovieren nicht nur verschiedene wissenschaftliche MitarbeiterInnen, sondern es konnten auch diverse studentische Arbeiten am System durchgeführt werden. Das Projekt war demzufolge Mittelpunkt in der Ausbildung neuer hochqualifizierter Studierender im Bereich der Medizintechnik. Besonders relevant für das neue Gründungsvorhaben ist zudem das, innerhalb des Projektes etablierte, weitreichende Netzwerk zu nationalen und internationalen Firmen aus dem Feld der Medizintechnik, die unter anderem durch feste Kooperationsvereinbarungen einen Grundstein zum Aufbau des Startups legen. Hierzu zählen beispielsweise die Schleifring GmbH als Hersteller von CT-Komponenten, Hillrom als weltweit etablierter Hersteller von Patientenlagerungssystemen oder auch die italienische Firma Ralco, deren Portfolio sich auf Geräte zum Einblenden der Röntgenstrahlung fokussiert.

Auf der Basis des KIDs-CT adressiert das Gründerteam die Entwicklung des bereits erwähnten einzigartigen Computertomographen zur Assistenz während minimal-invasiver Krebsoperationen. Das System verfolgt damit einen völlig neuen Ansatz in der Anwendung der Computertomographie. Heutzutage übliche Computertomographen wurden ursprünglich für die Diagnostik entwickelt und werden demzufolge nur behelfsmäßig in der Therapie eingesetzt. Ziel der Gründer ist es, ein System auf den Markt zu bringen, das komplett auf die Behandlung zentriert ist. Dies bedeutet nicht nur ein generell workflow-optimiertes System, sondern insbesondere die Entwicklung spezieller Bildgebungsalgorithmen, die sich durch eine wesentliche Reduktion der Röntgendosis von über 40% gegenüber herkömmlicher behelfsmäßig genutzter Systeme auszeichnet. Das RAYDIAX-Team wird durch ein klinisches und technisches Advisory Board nationaler und internationaler Key-Opinion Leader im Bereich der medizinischen Bildgebung und minimal-invasiven Therapie begleitet. Unter anderem der Rektor der Universität, Prof. Strackeljan, der Vorstand des Forschungscampus STIMULATE (Prof. Rose) sowie weitere etablierte Persönlichkeiten aus der Wirtschaft und Wissenschaft haben sich dazu bereit erklärt, das Gründerteam durch ihre langjährige Expertise zu unterstützen. Zwei der klinischen Partner sind Prof. Maciej Pech (Direktor der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Universitätsklinik Magdeburg) und Prof. Frank Wacker (Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Medizinischen Hochschule Hannover), die das Team für die medizinische Fragestellung initial sensibilisiert haben. Der erste Protoyp zur Behandlung von PatientInnen soll ebenfalls an der Magdeburger Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin installiert werden.

In das Vorhaben gehen zwar bereits wesentlich die Arbeiten des KIDs-CT (Verbundfördersumme 4.5 Mio EUR) ein, dennoch werden zur Umsetzung des ambitionierten Zieles weitere Gelder im oberen 7-stelligen Segment benötigt. Dem Team gelang es, eine erste Pre-Seed-Finanzierung über das EXIST-Forschungstransfer-Programm des BMWI einzuwerben. Das Programm fokussiert auf die Gründungsvorbereitung sowie die Umsetzung technisch besonders risikoreicher und aufwändiger Entwicklungsarbeiten. Um die ExpertInnenjury vom Vorhaben zu überzeugen, musste in der ersten Stufe das Produkt mit einer tragfähigen Businessplanskizze und einem hochqualifizierten Team dargestellt werden. In der zweiten Stufe erfolgte eine Präsentation vor der Jury im November 2020. Direkt im Anschluss der Jurysitzung wurde dem Team die positive Begutachtung für die Förderung mit einer Laufzeit von drei Jahren mitgeteilt. Innerhalb dieser Zeit will das Team nun ein belastungsfähiges Geschäftsmodell und Finanzierungkonzept aufstellen sowie den Prototyp der Hauptbaugruppe des Systems zur Dosisreduktion bereitstellen und die Wirksamkeit nachweisen. Zudem sollen bereits weitere InvestorInnen gefunden und das Patentportfolio gesichert und ausgebaut werden.

Als wesentliche Herausforderung sehen die Gründer den bisherigen vorrangig wissenschaftlich-technisch geprägten Kompetenzbereich, um die Fragestellungen der freien Wirtschaft zu erweitern. Hierbei unterstützt das Transfer- und Gründungszentrum durch regelmäßige Beratungen, durch professionelle Unterstützung bei der Ausarbeitung von Patentschriften sowie durch ein weitverzweigtes Netzwerk an Kontakten zu weiteren Startups und nicht zuletzt zu potenziellen Investoren.

Bis das RAYDIAX-Therapieassistenzsystem an den Markt geht, werden mehrere Jahre vergehen. Umso wichtiger ist es dem Team, in der aktuellen Pre-Seed-Förderung die richtigen langfristigen Partner zu finden, welche die Höhen und Tiefen im Aufbau eines Startups kennen und die Vision des Teams mittragen. Wesentlicher Erfolgsfaktor ist das umfangreiche Netzwerk des Forschungscampus – nicht zuletzt deshalb ist das Ziel, die Ausgründung am Standort Magdeburg langfristig zu etablieren, mit direkter örtlicher Nähe zur “STIMULATE-Zentrale“ im Wissenschaftshafen. Aus Sicht der Gründer ist STIMULATE nicht nur der Keim zur Ausgründung, sondern der Garant dafür, auch langfristig innovative Lösungen zu medizinisch hochrelevanten Fragestellungen präsentiert zu bekommen, was Unternehmen aller Art dabei helfen kann frühzeitig Trends zu erkennen und das Produktportfolio zu erweitern.

Insbesondere möchte sich das Team bei allen Beteiligten bedanken, die das Vorhaben tatkräftig unterstützen und so zum Erfolg der EXIST Pre-Seed Förderung beitrugen. Hierzu gehören ganz zentral der Vorstand und die Geschäftsstelle des Forschungscampus STIMULATE, das Team der Radiologie- und Nuklearmedizin Magdeburg, TUGZ und MKM der OvGU sowie die bereits erwähnten Mitglieder der technischen und klinischen Advisory Boards.

(April 2021)

 

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